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ADAM UND EVA

Frage: Was ist die Wahrheit über Adam, der vom Baum der Erkenntnis gegessen hat?

Antwort: Im Alten Testament heißt es, daß Gott Adam in den Garten Eden setzte, damit er ihn pflege und behüte, und daß Er sprach: „Iß von jedem Baum im Garten, mit Ausnahme des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse, denn wenn du von diesem ißt, wirst du sterben.“ Dann wird gesagt, daß Gott Adam in Schlaf versenkte, eine seiner Rippen nahm und die Frau erschuf, damit sie seine Gefährtin sei. Weiter heißt es, daß die Schlange die Frau verleitet habe, vom Baum zu essen, indem sie sprach: „Gott hat euch verboten vom Baum zu essen, damit eure Augen nicht aufgetan werden und damit ihr nicht Gut von Böse unterscheiden könnt.“ Darauf aß Eva vom Baum und gab Adam, der ebenfalls aß; ihre Augen wurden aufgetan, sie wurden gewahr, daß sie nackt waren und bedeckten sich mit Blättern. Als Folge dieser Tat wurden sie von Gott getadelt. Er sagte zu Adam: „Hast du vom verbotenen Baum gegessen?“ Adam antwortete: „Eva hat mich verleitet, und ich aß.“ Gott tadelte dann Eva, und sie sprach: „Die Schlange hat mich verleitet, und ich aß.“ Dafür wurde die Schlange verflucht und zwischen ihr und Eva und zwischen ihren Nachkommen Feindschaft gesetzt. Und Gott sprach: „Der Mensch ist Uns ähnlich geworden und weiß, was gut und böse ist, und vielleicht wird er auch vom Baum des Lebens essen und ewig leben.“ Daher behütete Gott den Baum des Lebens.¹

¹ Vgl. 1. Mose 2:16-18 und 3:1-19

Wenn wir diese Geschichte nach der äußeren Bedeutung ihrer Worte nehmen, wie es allgemein üblich ist, klingt sie höchst seltsam. Der Verstand kann sie nicht annehmen, bestätigen oder sich vorstellen; denn solche Geschehnisse, Einzelheiten, Gespräche und Vorwürfe stehen vernünftigen Menschen fern, um wieviel mehr Gott, Der dieses unendliche Weltall in der vollkommensten Gestalt und seine unzähligen Bewohner mit unübertrefflicher Ordnung, Kraft und Vollendung eingerichtet hat.

Wir müssen überlegen: Wenn die wörtliche Bedeutung dieser Geschichte einem klugen Menschen zugeschrieben würde, würden zweifellos alle folgerichtig urteilen, daß diese Anordnung, diese Erdichtung nicht von einem intelligenten Wesen herrühren könne. Diese Geschichte von Adam und Eva, die vom Baum der Erkenntnis aßen, und von ihrer Vertreibung aus dem Paradies muß deshalb einfach als Gleichnis verstanden werden. Sie enthält göttliche Geheimnisse und umfassende Bedeutungen und steht wunderbaren Erklärungen offen. Nur die in das Geheime eingeführt sind und die dem Hof des Allmächtigen nahe sind, können diese Geheimnisse begreifen. Diese Verse des Alten Testaments enthalten also zahlreiche Bedeutungen.

Eine dieser Bedeutungen wollen Wir jetzt erklären: Mit Adam ist sein Geist und mit Eva seine Seele gemeint. Denn an einigen Stellen der heiligen Bücher, in denen Frauen erwähnt werden, ist die menschliche Seele damit gemeint. Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse bezeichnet die menschliche Welt; denn die geistige und göttliche Welt ist vollkommen gut und reines Licht, aber in der irdischen Welt bestehen Licht und Finsternis, Gut und Böse als gegensätzliche Seinsweisen.

Die Bedeutung der Schlange ist Bindung an die Menschenwelt. Dieses Verhaftetsein des Geistes mit der irdischen Welt lenkte Adams Seele und Geist von der Welt der Freiheit zur Welt des Zwangs und verleitete ihn, sich vom Reich der Einheit zur Menschenwelt zu wenden. Als Adams Seele und Geist die menschliche Welt betraten, verließ er das Paradies der Freiheit und verfiel der Welt der Bindung. Von der Höhe der Reinheit und des absolut Guten kam er in die Welt des Guten und Bösen.

Der Baum des Lebens verkörpert die höchste Stufe in der bestehenden Welt: Die Stufe des Wortes Gottes und der allumfassenden Offenbarung. Darum blieb jene Stufe verwahrt, bis sie im Erscheinen der größten Universalen Offenbarung sichtbar und offenkundig wurde. Denn die Stellung Adams war in bezug auf das Erscheinen und die Offenbarung der göttlichen Vollkommenheiten in keimhaftem Zustand; der Rang Christi entspricht der Zeit des Heranreifens und Vernünftigwerdens; der Aufgang des Größten Gestirns¹ war die Stufe der Vollkommenheit des Geistes und der menschlichen Tugenden. Deshalb ist im höchsten Paradies der Baum des Lebens der Ausdruck für den Mittelpunkt vollkommen reiner Heiligkeit, nämlich der göttlichen allumfassenden Offenbarung. Vom Zeitalter Adams bis zur Zeit Christi sprach man wenig vom ewigen Leben und den allumfassenden himmlischen Vollkommenheiten. Dieser Baum des Lebens war die Stufe der Wirklichkeit Christi; durch Seine Offenbarung wurde er gepflanzt und mit ewigen Früchten geschmückt.

¹ Der Offenbarung Bahá'u'lláhs.

Beachte nun, wie diese Auslegung der Wirklichkeit entspricht. Denn als sich Geist und Seele Adams mit der irdischen Welt verbanden, gerieten sie von der Welt der Freiheit in die Welt des Zwangs, und seine Nachkommen blieben in Knechtschaft. Diese Bindung von Seele und Geist an die menschliche Welt ist Sünde und wurde von Adam auf seine Nachkommen vererbt. Sie ist die Schlange, die immer im Geiste seiner Nachkommen lebt und mit ihnen im Kampf steht. Diese Feindschaft währt immerfort. Denn die Bindung an die Welt wurde zur Ursache der Unfreiheit des Geistes, und sie ist das gleiche wie die Sünde, die von Adam auf seine Nachkommenschaft übertragen wurde. Durch diese Bindung werden die Menschen von wesentlicher Geistigkeit und erhabener Stufe ausgeschlossen.

Als der heilige Odem Christi und die geheiligten Strahlen des Größten Gestirns sich verbreiteten, wurden die menschlichen Wirklichkeiten, nämlich diejenigen Menschen, die sich dem Wort Gottes zuwandten und den Reichtum Seiner Gnadengaben empfingen, frei von dieser Bindung und Sünde, gewannen ewiges Leben, wurden aus den Fesseln des Zwangs gelöst und gelangten zur Welt der Freiheit. Sie wurden von den Schwächen der menschlichen Welt gelöst und mit den Tugenden des Königreiches gesegnet. Das ist die Bedeutung der Worte Christi: „Ich gab Mein Blut für das Leben der Welt.“¹ Das heißt: Alle Heimsuchungen, Prüfungen und Trübsale, selbst das größte Martyrium habe ich auf Mich genommen, um dieses Ziel, die Überwindung der Sünde, zu erreichen. Damit ist die Loslösung des Geistes von der menschlichen Welt und sein Hingezogenwerden zum göttlichen Reich gemeint, damit sich Seelen erheben, die zum innersten Wesen der Führung der Menschheit werden und zu Offenbarungen der Vollkommenheiten des höchsten Königreichs.

¹ vgl. Johannes 6:51.

Bedenke, wenn der Sündenfall in seinem buchstäblichen Sinn gedeutet würde, entsprechend den Annahmen der Anhänger des Buches¹, so wäre dies reine Ungerechtigkeit und völlige Vorherbestimmung. Wenn Adam sündigte, indem er vom verbotenen Baume aß, was war die Sünde Abrahams, des Ruhmvollen, und was war der Fehler Mose, des Sprechers mit Gott? Was war das Vergehen des Propheten Noah? Was die Übertretung Josephs, des Aufrechten? Und was war die Schuld der Propheten Gottes, oder die Missetat Johannes des Täufers? Könnte es die Gerechtigkeit Gottes zugeben, daß diese erleuchteten Offenbarer der Sünde Adams wegen qualvolle Höllenpein ertragen müßten, bis Christus kam und Sie durch Sein eigenes Opfer von den schmerzhaften Martern befreite? Eine solche Vorstellung steht außerhalb jedes Gesetzes und jeder Regel, und kein vernünftiger Mensch kann sie annehmen.

¹ Juden und Christen.

Nein, der Sinn ist, wie schon erwähnt: Adam ist der Geist des Menschen und Eva seine Seele; der Baum ist die menschliche Welt, und die Schlange ist jene Bindung an diese Welt, welche die Sünde ausmacht und die Nachkommen Adams befallen hat. Christus bewahrte durch Seinen heiligen Odem die Menschen vor dieser Bindung und befreite sie von dieser Sünde. Die Sünde Adams steht im Verhältnis zu seiner Stufe. Obgleich die Bindung an die irdische Welt auch gute Ergebnisse zeitigen mag, so ist sie doch im Vergleich zur Verbundenheit mit der geistigen Welt wie Sünde. Was für die Gläubigen noch eine gute Tat ist, kann für die Gott Nahestehenden schon Sünde sein. Dies ist außer Frage gestellt. So ist körperliche Kraft in Beziehung zu geistiger nicht nur mangelhaft, sondern sogar Schwäche. Ebenso erscheint das körperliche Leben im Vergleich mit dem ewigen Leben im Königreich als Tod. Darum nannte Christus das körperliche Leben Tod, als Er sprach: „Laß die Toten ihre Toten begraben.“¹ Obwohl jene Seelen körperliches Leben hatten, war dieses Leben in Seinen Augen Tod.

Dies ist eine der Bedeutungen der biblischen Geschichte von Adam. Denke nach, bis du die anderen findest.

¹ Matthäus 8:22

Das war ein Auszug aus dem Buch "Beantwortete Fragen" von Abdu'l-Baha, welches Sie hier kostenlos downloaden oder hier bestellen können.

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