DIE
TAUFE
Frage: Ist die Reinigung
durch die Taufe nützlich und nötig oder ist
sie nutzlos und überflüssig? Warum wurde sie,
wenn sie nützlich ist, abgeschafft, und warum wurde
sie, wenn sie überflüssig ist, von Johannes
ausgeübt?
Antwort: Änderungen
der Lebensbedingungen, Wandel und Wechsel der Zeiten gehören
zu den Wesensnotwendigkeiten der erschaffenen Welt, und
diese Wesensnotwendigkeiten können von der Wirklichkeit
des Seins nicht getrennt werden. So ist zum Beispiel eine
Scheidung der Hitze vom Feuer, der Feuchtigkeit vom Wasser,
des Lichtes von der Sonne völlig unmöglich,
denn sie sind deren unabdingbare Wesenszüge. Weil
Wechsel und Änderung der Umstände zu den Notwendigkeiten
dieser Welt gehören, werden auch die Gesetze dem
Wandel und Umbruch der Zeit entsprechend abgeändert
und umgeformt. Zum Beispiel wurde zur Zeit Mose Sein Gesetz
nach den damaligen Lebensbedingungen ausgerichtet und
diesen angepaßt; zur Zeit Christi aber hatten sich
jene Umstände so weit geändert und entwickelt,
daß das mosaische Gesetz den menschlichen Bedürfnissen
nicht mehr entsprach und angemessen war; darum wurde es
aufgehoben. So brach Christus den Sabbat und verbot die
Scheidung. Nach Christus haben vier Jünger, darunter
Petrus und Paulus, den Genuß der von der Bibel verbotenen
tierischen Nahrung erlaubt, mit Ausnahme des Fleisches
der erwürgten und an Götzenaltären geopferten
Tiere und des Blutes.¹ Auch das Verbot des Ehebruchs
blieb bestehen. Diese vier Gebote blieben in Kraft. Später
hat Paulus auch den Genuß des Fleisches erstickter
Tiere, der Schlachtopfer an Götzenaltären und
des Blutes erlaubt, und es blieb allein das Verbot des
Ehebruchs bestehen. So schreibt Paulus im 14. Kapitel,
Vers 14, des Römerbriefes: „Ich weiß
und bin es gewiß in dem Herrn Jesus, daß nichts
unrein ist an sich selbst; nur dem, der es für unrein
hält, dem ist's unrein.“
¹ Apostelgeschichte
15:20
Auch im 1. Kapitel, Vers
15, des Paulusbriefes an Titus steht: „Den Reinen
ist alles rein; den Unreinen aber und Ungläubigen
ist nichts rein, sondern unrein ist beides, ihr Verstand
und ihr Gewissen.“
Dieser Wandel also, diese
Veränderungen und die Aufhebung von Gesetzen kommen
daher, daß die Zeit Christi mit der Zeit Mose nicht
verglichen werden kann. Lebensbedingungen und Erfordernisse
hatten sich grundsätzlich geändert und gewandelt.
Darum wurden die früheren Gesetze aufgehoben.
Das Sein der Welt kann
mit dem des einzelnen Menschen, und die Propheten und
Gottgesandten können mit geschickten Ärzten
verglichen werden. Ein menschliches Wesen verharrt nicht
immer in ein und demselben Zustand; es kann von verschiedenen
Krankheiten befallen werden, und jede Krankheit verlangt
ein besonderes Heilmittel. Der geschickte Arzt wird nicht
bei jeder Gesundheitsstörung und Krankheit das gleiche
Mittel anwenden, sondern den verschiedenen Erfordernissen
der Krankheiten und dem Befinden entsprechend wechselt
er die Heilmittel und Arzneien. Der kluge Arzt wird also
einem Menschen, der fieberkrank ist, zweifellos kühlende
Mittel geben;¹ und wenn zu einer anderen Zeit sich
der Zustand dieser Person geändert hat und sie nicht
mehr fiebert, sondern fröstelt, läßt der
Arzt zweifellos die kühlenden Mittel weg und wendet
erwärmende an; diese Änderung und dieser Wechsel
sind durch den Zustand des Patienten bedingt und sind
ein offensichtlicher Beweis für die Geschicklichkeit
des Arztes.
¹ Im Orient wird
zwischen erwärmenden und kühlenden Nahrungs-
und Heilmitteln unterschieden; sie gehen auf die griechisch-islámische
ärztliche Ausdrucksweise zurück.
Überlege, könnten
die Gesetze des Alten Testaments in unserer Zeit durchgeführt
werden? Nein, bei Gott! Es wäre unmöglich und
unausführbar; zweifellos hat Gott deshalb die Gesetze
des Alten Testaments zur Zeit Christi aufgehoben. Bedenke
auch, daß zur Zeit Johannes des Täufers die
Menschen durch die Taufe zur inneren Besinnung gerufen
und ermahnt wurden, alle ihre Sünden zu bereuen und
das Kommen des Reiches Christi zu erwarten. Aber heute
in Asien tauchen die Katholiken und die orthodoxe Kirche
neugeborene Kinder in mit Olivenöl gemischtes Wasser,
und viele von ihnen werden durch diesen Schock krank;
während der Taufe wehren sie sich und werden aufgeregt.
An anderen Orten wird nur die Stirn des Kindes vom Priester
mit Taufwasser benetzt. Aber weder bei der ersten noch
bei der zweiten Art haben die Kinder irgendwelchen geistigen
Nutzen davon. Was wird also dadurch gewonnen? Andere Völker
wundern sich und fragen, warum die Säuglinge ins
Wasser getaucht werden, da dies weder die Ursache ihrer
geistigen Erweckung noch ihres Glaubens oder der Bekehrung
ist; es ist nur eine Gewohnheit, der man folgt. Zur Zeit
Johannes des Täufers war dies nicht so; nein, Johannes
ermahnte die Menschen zuerst, führte sie zur Reue
über ihre Sünden und erfüllte sie mit der
Sehnsucht, die Offenbarung Christi zu erwarten. Jeder,
der die Taufe empfing und in vollkommener Unterwürfigkeit
und Demut seine Sünden bereute, wusch und reinigte
damit seinen Körper von äußerem Schmutz.
In großem Sehnen, Tag und Nacht, erwartete er unaufhörlich
das Erscheinen Christi und den Eintritt in das Reich des
Geistes Gottes.¹
¹ d.h. Christi, Den
die Muhammadaner häufig mit dem Titel Rúh'u'llúh,
Geist Gottes, bezeichnen.
Zusammengefaßt ist
Unsere Meinung, daß Wandel und Wechsel der Lebensbedingungen
und die Veränderung der Lebensnotwendigkeiten der
verschiedenen Zeiten und Jahrhunderte zur Aufhebung von
Gesetzen führen. Denn die Zeit kommt, in der diese
Gesetze den Lebensbedingungen nicht länger angepaßt
sind. Denke daran, wie grundverschieden die Bedingungen
der Frühzeit von denen des Mittelalters und der Neuzeit
sind. Könnte man die Gesetze aus den ersten Jahrhunderten
in unserer Zeit durchführen? Es ist klar, daß
dies unmöglich und unausführbar wäre. Ebenso
werden, wenn einige Jahrhunderte vorübergegangen
sind, die Erfordernisse der Gegenwart der Zukunft nicht
mehr entsprechen, und zweifellos werden sie geändert
und abgewandelt werden. In Europa werden die Gesetze fortwährend
geändert und umgeformt; wie viele Gesetze gab es
in den Organisationen und Regierungssystemen Europas in
vergangenen Zeiten, die jetzt abgeschafft sind! An diesen
Veränderungen und Abwandlungen sind die Schwankung
und Entwicklung der Denkweise, der Lebensbedingungen und
der Gebräuche schuld. Wenn es nicht so wäre,
könnte die Menschenwelt nicht gedeihen.
Zum Beispiel ist es ein
Gesetz des Alten Testaments, daß ein Mensch, der
den Sabbat bricht, getötet werde. Noch mehr, in der
Thora gibt es zehn Gesetze mit Todesstrafe. Könnten
diese Gesetze in unserer Zeit gehalten werden? Es ist
klar, daß dies völlig unmöglich wäre.
Folglich gibt es Abänderungen und Umformungen der
Gesetze, was ein hinreichender Beweis für die überragende
göttliche Weisheit ist.
Diese Frage erfordert
tiefes Nachdenken. Dann wird die Ursache für diese
Änderungen klar und offenbar.
Gesegnet
die Menschen, die überlegen!
Das
war ein Auszug aus dem Buch "Beantwortete
Fragen" von Abdu'l-Baha,
welches Sie hier kostenlos
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